Rotwild

Der Rothirsch (Cervus elaphus), allgemein als Rotwild bezeichnet, ist im Wildpark Völlinghausen die größte Hirschart. Das Gewicht eines ausgewachsenen Hirsches kann deutlich über 150 kg betragen. Einzelne Hirsche erreichen sogar ein Gewicht von über 200 kg (Lebendgewicht). Damit ist er ein echtes Schwergewicht unter den Tieren in unserem Wildpark.

Rotwild gehört innerhalb der Familie der Hirsche (Cervidae) zu der Unterfamilie der Echthirsche (Cervinae). Zwischen den in Mitteleuropa verbreiteten Unterarten sind deutliche Größen- und Gewichtsunterschiede anzutreffen.

Geschichte / Vorkommen

Ursprünglich lebte das Rotwild in offenen oder licht bewaldeten Landschaften, Auen und Steppen. Das natürliche Verbreitungsgebiet des Rotwildes umfasst Europa, Westasien, Zentralasien und Nordafrika. In andere Länder ist das Rotwild gezielt eingeführt worden, so beispielsweise in Neuseeland, Australien und in Argentinien.

Zu den rotwildreichen Ländern Europas zählt Großbritannien mit einem Verbreitungsschwerpunkt in England und Schottland. Hohe Bestände gibt es auch in Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und in Rumänien. In Osteuropa sind noch große, zusammenhängende Verbreitungsgebiete anzutreffen. Für Westeuropa ist eine starke Verinselung mit zum Teil kleinen Vorkommen charakteristisch. Die Verbreitungsgebiete in Deutschland sind die Mittelgebirge und das Alpenvorland.

Das Rotwild wurde in Gebiete gedrängt, die ursprünglich gar nicht oder nur selten sein natürlicher Lebensraum waren. Freilebendes Rotwild meidet den Kontakt mit dem Menschen. Als Rückzugs- und zugleich Lebensraum blieben meist nur geschlossene Waldgebiete. Aber auch auf großen Truppenübungsplätzen, zum Beispiel in der Lüneburger Heide, ist das Rotwild anzutreffen.

Dazu ein Auszug aus dem Buch „Verhalten, Hege und Bejagung des Rotwildes“ von Kurt Menzel:
Der Lebensraum des Rotwildes entspricht in heutiger Zeit vielfach nicht den Ansprüchen dieser Wildart, die große, halb offene Lebensräume mit ausreichenden Äsungs- und Deckungsmöglichkeiten beansprucht. Insbesondere fehlen ihm in der vom Menschen geprägten Landschaft Flächen, auf denen es seinen natürlichen Räum-Zeit Aktivitäten nachkommen, sich rudeln und somit sein elementares Bedürfnis nach Wohlbefinden und Sicherheit in der Gemeinschaft ausleben kann.“

Da, wo Rotwild ungestört ist, bevorzugt es offene, übersichtliche Flächen und ist tagaktiv. Im Wildpark Völlinghausen ist das Rotwild an den Menschen gewöhnt und kommt bis an den Zaun heran. Es hat instinktiv erkannt, dass der Zaun Schutz bietet. Zudem gibt es ja auch von Besuchern immer wieder mal eine kleine Leckerei.

Ernährung

Das Rotwild ist wie das Dam- und Sikawild ein Wiederkäuer. Abhängig vom Nahrungsverhalten ist in der Literatur (R. Hofmann) eine Einteilung nach Konzentratselektierer, Mischäser und Raufutterfresser zu finden. Konzentratselektierer (dazu zählt u. a. das Rehwild) haben ein geringes Pansenvolumen, sie benötigen leicht verdauliche und energiereiche Nahrung (z. B. Knospen).

Raufutterfresser (dazu zählt unter anderem das Muffelwild) haben ein großes Pansenvolumen. Sie können schwer verdauliche, also faserreiche und energiearme Nahrung (z. B. Heu) verwerten. Das Rotwild wird nach seinem Nahrungsverhalten dem sogenannten „Intermediärtyp“ zugeordnet. Das Rotwild nimmt vom Nahrungsverhalten somit eine Zwischenstellung ein.Täglich nimmt das Rotwild mehrere Kilogramm Grünäsung auf. Das Fassungsvermögen wird in der Literatur mit bis zu 25 Litern angegeben. Der Pansen ist in der Lage, neben Gräsern sowohl Feldfrüchte (z. B. Rüben und Kartoffeln) als auch Eicheln, Bucheckern, Obst, Pilze, Baumrinde, Knospen, junge Zeige von Bäumen und Sträuchern zu verwerten.

Abgesehen von der Brunftzeit, wird der Tagesrhythmus der Tiere vom Fressverhalten bestimmt. Ist das Rotwild ungestört, so wechseln sich Äsungs- und Ruheperioden verhältnismäßig gleichmäßig ab. Innerhalb eines Tages wechseln sich mindestens fünf Futteraufnahmen mit fünf Wiederkauphasen ab.¹

 

Interessant zu wissen: Beim Äsen wird die Nahrung zunächst nur grob zerkaut und abgeschluckt. Danach legt sich das Rotwild zur Ruhe und beginnt mit der Wiederkautätigkeit. Durch einen Reflex werden die von Bakterien angegriffenen Pflanzenteile in den Äser (Maul) zurückbefördert und eingehend gekaut. Durch den Speichel rutscht der Futterbrei nicht nur gut, sondern er wirkt auch stark alkalisch und erhöht die von Bakterien produzierten Säuren im Pansen auf einen neutralen pH-Wert. (Weitergehende Informationen zum Wiederkäuermagen finden Sie unter: Tiergesundheit / Pansenübersäuerung).

Schälschäden

Wird das Rotwild durch den Menschen gestört, so wird dieser Rhythmus gestört. Dies geht meist mit gesundheitlichen Schäden im Verdauungstrakt einher und es kann vermehrt zu Schälschäden kommen. Rotwild schält, indem es mit den Schneidezähnen des Unterkiefers in die Baumrinde eindringt und die Rinde dann vom Stamm abzieht (um sie dann als Nahrung aufzunehmen).

„Die Ursache für Schälschäden sind vielschichtig und wissenschaftlich nur teilweise geklärt. Sie stehen unzweifelhaft im Zusammenhang mit der Ernährung – d. h. einerseits mit dem vorhandenen, natürlichen Äsungsangebot und der Futtervorlage, andererseits mit der ausreichenden Möglichkeit, dieses Äsungsangebot effektiv ungestört nutzen zu können. Durch die hochtechnisierte, moderne Forstwirtschaft mit ihren großflächigen Monokulturen, die mangelnde Koordination bzw. gegenseitige Rücksichtnahme von Forst und Jagd, insbesondere aber durch die durch den Freizeittourismus bedingten Störungen der freilebenden Tierwelt kommt nur allzuhäufig das eine wie auch das andere zu kurz. Man neigt heute zu der wissenschaftlich bereits weitgehend untermauerten Ansicht, dass bei der mancherorts ausufernden Schälbelastung der Wälder dem zunehmenden Stress der Wildtiere eine sehr wesentliche Rolle zukommt.“ (Herbert Tomiczek / Friedrich Türcke)

 

Gelebter Tierschutz:
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Das Geweih

Markant ist das imposante und weit ausgelegte Geweih des Rothirsches. Daran lässt sich unschwer erkennen, dass die Natur ein so großes Geweih eigentlich nicht bzw. wohl kaum für die dichten Fichtenholzdickungen des Arnsberger Waldes „geschaffen“ hat.

Die Länge einer Geweihstange beträgt ca. 100 cm, das Gewicht einer Stange liegt bei den ausgewachsenen Hirschen im Wildpark Völlinghausen bei ca. 3 kg. In einem Alter von ca. 11-13 Jahren erreicht das Geweih der Hirsche die maximale Größe. Bei älteren Hirschen verliert das Geweih dann wieder an Gewicht, Zahl der Enden, Masse und Stangenlänge: „Der Hirsch setzt zurück.“

Das Geweih wird jährlich abgeworfen. Ältere Hirsche werfen bereits Ende Februar das Geweih ab, jüngere bis in den April hinein. Kurz nach dem Abwurf setzt die Neubildung des Geweihs ein.

Während der Wachstumsphase ist das Geweih mit einer behaarten Haut überzogen. Diese wird Basthaut genannt. Sowohl der Bast als auch das wachsende Geweih sind von Blutgefäßen durchzogen. Die Basthaut hat eine „nährende“ Funktion bei der Entwicklung des Geweihs. Mit fortschreitendem Wachstum kommt es zu einer Verknöcherung des Geweihs. Damit verliert auch schließlich die Basthaut seine Funktion.

Der Geweihaufbau dauert knapp fünf Monate. Bei ausgewachsenen Hirschen ist das Wachstum des Geweihs Ende Juni, spätestens Anfang August, abgeschlossen. Die Hirsche beginnen dann, die Basthaut an Zweigen und Sträuchern vom Geweih abzustreifen. In der Weidmannssprache wird das Absteifen als „Fegen“ bezeichnet.

Streifen der noch durchbluteten Basthaut hängen zu diesem Zeitpunkt gelegentlich vom Geweih herunter. Wenn Sie dies bei den Hirschen im Wildpark sehen, ist das kein Grund zur Sorge. Die Hirsche sind dann weder krank noch sind sie verletzt. Es ist ein natürlicher Vorgang beim Abschluss der Geweihentwicklung.

Und was führt dazu, dass die Geweihstangen abgeworfen werden? Der „Geweihzyklus“ wird durch Hormone gesteuert. Der Geweihabwurf erfolgt zum Ende des Winters hin, der Testosteronspiegel hat dann bei den Hirschen seinen niedrigsten Stand erreicht. An einer bestimmten Stelle, nämlich zwischen dem sogenannten Rosenstock und der Stange, lösen sich die Knochenzellen auf.

Ein Geweih besteht aus zwei Stangen, die jeweils mit der Rose (wulstige zirkuläre Verdickung) am unteren Ende der Geweihstange auf den Rosenstöcken aufsitzen. Als Rosenstock wird ein Stirnbeinfortsatz auf dem Haupt bezeichnet, auf dem das Geweih aufsitzt. Sobald die Verbindung und damit der Halt zu gering wird, bricht die Stange ab – sie wird „abgeworfen“.

Die Brunft

Die Hirschbrunft findet in Mitteleuropa von Anfang September bis Anfang Oktober statt. Der Höhepunkt liegt in der zweiten Septemberhälfte. Mächtig und imposant schallt dann aus unserem Wildpark ein langanhaltendes Röhren.

Zu Beginn der Brunft können sich im Umfeld eines Kahlwildrudels, das sich in der Regel aus mehreren Mutterfamilien zusammensetzt, noch mehrere Hirsche aufhalten. Meist reichen dann Drohgebärden des stärksten Hirsches aus, um die jüngeren Hirsche vom Rudel fernzuhalten. Der Platzhirsch übernimmt die „Regie“. Reicht das reine Imponiergehabe nicht aus, um einen Rivalen zu vertreiben, kann es auch zu einem Brunftkampf kommen. Das klingt nicht nur spannend, sondern ist es auch.

¹ Quelle: Krebs, Vor und nach der Jägerprüfung, BLV-Verlag